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SONDERBERICHT UND INTERVIEW MIT DAVID FERNADEZ IM INFOLORA, DONNERSTAG 21. FEBRUAR, 18h AUF RADIO LORA

David Fernández, Journalist, politischer Aktivist und ehemaliger Abgeordneter im katalanischen Parlament für die Partei CUP zwischen 2012 und 2015. Redaktor und Verleger des alternativen katalanischen Kommunikationsmediums La Directa.

La Directa ist eine Online und Papier Zeitung in katalanischer Sprache. La Directa ist genossenschaftlich organisiert und finanziert sich mehrheitlich durch Mitgliedschaften.  Anlässlich des Prozesses in Madrid, publizierte La Directa eine gratis Sonderausgabe unter den name «La Defensa» (Die Verteidigung)

Felipe Polanía aus der Redaktion der Sendung Pipiris Nais (Di. 7-9h) interviewte David Fernández am Montag, 11. Februar, in der Redaktion der La Directa im Stadtviertel Sants in Barcelona. In der Sendung INFOLORA am Donnerstag, 21. Februar, strahlen wir das Interview mit einer Übersetzung von Michael Senn aus (Redaktor und Moderator der Sendung Natürlich Gesund und Mitglied der Sendekommission).

Der Bericht über Katalonien wurde in drei Folgen in der Sendung Pipiris Nais in spanischer Sprache ausgestrahlt und konnte realisiert werden dank der Unterstützung des Fonds für Sonderberichterstattung der Sendekommission von Radio LoRa.

Seit 12. Februar führt das Oberste Gericht in Madrid ein Strafverfahren gegen die abgesetzte katalanische Regierung und gegen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Etwa 600 Journalist*innen aus 150 Medien der ganzen Welt berichten über den Prozess, der als wichtigster Prozess in Spanien seit der Diktatur betrachtet wird.

Verhandelt wird eine politische Straftat: die Durchführung des illegalen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien vom 1. Oktober 2017, doch die Durchführung eines Referendums stellt nach der politischen Verfassung Spaniens keinen Straftatbestand dar. Darum wird den 12 Angeklagten stattdessen Rebellion und Veruntreuung von öffentlichen Geldern vorgeworfen. Doch die Anklage kann bis jetzt keine Beweise dafür liefern. Die Beweismittel zeigen bis jetzt lediglich, dass die Angeklagten sich an Demonstrationen, Konferenzen und öffentlichen Aktionen beteiligt haben und öffentlich erklärt haben, sie wollen die Unabhängigkeit Kataloniens. Auch in Bezug auf die Ressourcen, welche die Durchführung des illegalisierten Referendums ermöglicht haben, kann die Verteidigung gut beweisen, dass die Kosten der demokratischen Aktion mehrheitlich durch die katalanische Zivilgesellschaft getragen wurden.

Die spanische Generalstaatsanwaltschaft fordert für alle Angeklagten insgesamt 177 Jahre Haft und die «Volksanklage», die von der neo-faschisten Partei Vox eingereicht wurde, verlangt insgesamt mehr als 700 Jahre Haft. Das Prinzip der Verhältnismässigkeit in der spanischen Justiz scheint definitiv verloren gegangen zu sein, besonders, wenn daran erinnern wird, dass vor kurzem fünf Männer (unter ihnen eine Person von der Guardia Civil) wegen sexueller Nötigung (wobei es vermutlich eher um eine Vergewaltigung ging/bei den Taten von 2016 in Pamplona) auf neun Jahre Gefängnis verurteilt wurden und doch heute noch in Freiheit leben. Die 12 Angeklagten aus Katalonien sitzen «präventiv» bereits länger als ein Jahr im Gefängnis.

Noch ein paar weitere Beispiele der Absurdität in der spanischen Justiz: vor ein paar Monaten entschied das oberste Gericht in Madrid zugunsten der Banken – in einem Prozess wegen Hypotheken gegenüber der Kund_innen, die eine extra Steuer auf diese Hypothek angefochten hatte. Vor einem Jahr verurteilte das Oberste Gericht den Mallorquiner Rapper Valtonyc auf dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe, weil er in seinen Liedern die Krone und das Königtum beschimpft und verleumdet haben soll. Valtonyc ging nach Belgien ins Exil, wo er bis heute lebt. Im Fall von Valtonyc, wie bei den katalanischen Politiker*innen im Exil wurde von der belgischen Justiz eine Abschiebung bzw. Auslieferung abgelehnt.


 

Unter den Angeklagten in Madrid befinden sich die Präsidentin des katalanischen Parlaments, der Vizepräsident von Katalonien, acht regionale Minister*innen und zwei Sprecher der grössten Organisationen der Zivilgesellschaft (Omnium Cultural und Katalanischer Nationalkongress–ANC)[1]. Noch dazu werden bei der regionalen Justiz in Katalonien etwa 1'500 Personen wegen des Referendums untersucht, darunter 712 Gemeindepräsident*innen. Fünf Regierungsmitglieder von Katalonien mussten ins Exil gehen, nach Belgien und Schottland oder nach Genf, wie eine Abgeordnete des Katalanischen Parlaments (Anna Gabriel, CUP) und die Generalsekretärin der Partei der republikanischen Linken (ERC) Marta Rovira.

Vor diesem Hintergrund lässt sich dieser Prozess als ein politisch motivierter Prozess bezeichnen, da die politischen Ideen und Handlungen der zivilen und demokratischen Unabhängigkeitsbewegung verfolgt und bestraft werden. Die spanische Justiz möchte den Willen nach Unabhängigkeit hart und exemplarische bestrafen. Nicht umsonst sagte Jordi Pina, Anwalt der Verteidigung am ersten Tag des Prozesses vor Gericht: «Es ist zu vermuten, dass Sie Richter am Obersten Gericht sind, und nicht nationale Helden, seien Sie Richter und nicht Retter des Heimatlandes, weil es hier nicht darum geht».

Straftat: ein illegalisiertes und verfolgtes Referendum

Am 1. Oktober 2017 fand in Katalonien ein Referendum für die Unabhängigkeit von Spanien statt. Mehr als zwei Millionen Personen stimmten mit einem Ja zur Unabhängigkeit. Das Referendum war der Höhepunkt einer Mobilisierung der Unabhängigkeitsbewegung, die seit 2010 die Strassen Katalonien mit massiven Demonstrationen gefüllt und in den Katalanische Parlamente stark zugelegt hatte.

Das Referendum wurde von der spanischen Zentralregierung illegalisiert, verfolgt und unterdrückt. Das katalanische Parlament rief für einige Minuten die katalanische Republik aus, sistierte sie jedoch gleich danach, um einen Konflikt mit Madrid zu verhindern. Die Antwort aus Madrid war Repression. Schon am Tag des Referendums platzierte die spanische Regierung mehr als zehntausend Einheiten der Sicherheitskräfte in Katalonien, um zu verhindern, dass die Bevölkerung sich frei ausdrücken konnte. Die Bilder der polizeilichen Repression gingen um die ganze Welt. Einige Wochen danach intervenierte die spanische Regierung in die katalanische Autonomi: sie setzte die Regierung ab unter Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung und setzte die halbe Regierung ins Gefängnis, während die andere Hälfte ins Exil flüchtete.

Der Ursprung der aktuellen Krise kann im Jahr 2006 verortet werden, als ein neues Autonomie-Statut für Katalonien verhandelt wurde.  Obwohl das neue Statut von der Unabhängigkeitsbewegung nicht unterstützt wurde, kam es in einem Referendum durch. Die Beteiligung am Referendum blieb jedoch unter 50% und etwa 20% stimmten dagegen. Zu diesem Zeitpunkt war also die Unabhängigkeit nicht das relevanteste Thema in der katalanischen Gesellschaft, zumindest sah es bei der Abstimmung nicht danach aus. Dennoch legten die spanische Regierung und die Rechtspartei Partido Popular PP Rekurs gegen das Statut ein und erklärten es 2010 für verfassungswidrig, was eine grosse Protestbewegung ausgelöst hat und die spanischen Institutionen zu der grössten Krise in den letzten Dekaden geführt hat.

 

[1] Oriol Junqueras, früherer Vizeregierungschef von Katalonien; Joaquim Forn, früherer Innenminister; Raul Romeva, früherer Aussenminister; Jordi Turull, früherer Präsidialamtsminister; Josep Rull, früherer Umweltminister; Jordi Sanchez, früherer Präsident der Organisation Katalanischer Nationalkongress (ANC). Carles Mundo, abgesetzter Justizminister; Carme Forcadell, abgesetzte Regierungssprecherin; Meritxell Borras, frühere Ministerin für Administration; Dolors Bassa, frühere Arbeitsministerin; Santiago Vila, früherer Wirtschaftsminister; Jordi Cuixart, früherer Präsident der Organisation Omnium Cultural

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