über die
Tourismus
wird weltweit gefördert, nicht zuletzt mit dem Argument, Arbeitsplätze und
Einkommen für Frauen zu schaffen.
Aus
feministischer Perspektive erweist sich die Tourismus-Branche in verschiedener
Hinsicht als besonders interessant:
- es handelt sich um einen wichtigen Wirtschaftszweig, in dem Frauen überdurchschnittlich stark erwerbstätig sind. Zunehmend spielen Frauen als Nachfragerinnen von touristischen Dienstleistungen eine Rolle
- In diesem Sektor sind die Grenzen zwischen regulierter und deregulierter, formeller und informeller Tätigkeit fliessend.
- Tourismus wird gefördert. Von besonderem Interesse ist dabei, wie traditionelle "weibliche" Fähigkeiten und Tätigkeiten in Erwerbsarbeit umgewandelt oder auf andere Art und Weise der (internationalen) Tourismus-Industrie untergeordnet werden.
- Ähnlich der Hausarbeit sind im Tourismus persönliche Dienstleistungen auf die Bedürfnisbefriedigung (in diesem Sinne auf die von TouristInnen) ausgerichtet. Sie unterscheiden sich grundsätzlich von den Dienstleistungen, die der Produktion oder Vermarktung von Waren dienen.
- Reiseorte sind nicht nur von Menschen bewohnte Räume, sondern auch Orte, wo bestimmte zwischenmenschliche Beziehungen oder Beziehungsverhältnisse zwischen den Geschlechtern angeboten, respektive produziert werden.
Die
Tourismus-Industrie ist ein Wirtschaftsbereich, in dem besonders viele Frauen
erwerbstätig sind. Laut OECD sieht der Frauenanteil unter den Angestellten im
Tourismusbereich folgendermassen aus:
Griechenland
37%
Niederlande 52%
Türkei 63%
Spanien
46%
Portugal 53%
Dänemark 70%
Frankreich
49%
Australien 58%
Schweden 75%
Schweiz
50%
Österreich 60%
Das jährliche Bruttoerwerbseinkommen für Vollerwerbstätige im
Handel/Gast- und Reparaturgewerbe beträgt für:
Frauen
mit ausländischen Pass
Fr.
41400.00
Schweizer-Frauen
Fr.
44200.00
Männer
mit ausländischem Pass
Fr.
58500.00
Schweizer-Männer
Fr.
64675.00
Zum
Vergleich das Bruttoerwerbseinkommen im Banken/Versicherungssektor für:
Schweizer-Frauen
Fr.
56189.00
Schweizer-Männer
Fr.
84500.00
(Zahlenmaterial 94/95, da die Touristik-Branche
keine regelmässigen spezifischen Statistiken erstellt)
Im CH-Gastgewerbe sind, gemessen an der Gesamtwirtschaft, überproportional
viele Frauen beschäftigt. Darin sind vor allem Schweizerinnen in höherqualifizierten
Stellen anzutreffen. Der Anteil der Schweizer-Frauen in der Funktion einer
leitenden Angestellten oder Direktorin liegt um ein Mehrfaches über dem
nationalen Durchschnitt.
Gerade
in dieser Branche liegt das Einkommensniveau generell tief.
Aufschlussreich
wäre eine Analyse darüber, wie im Tourismus die Schnittstelle zwischen
formeller und informeller Wirtschaft und zwischen bezahlter und unbezahlter
Arbeit aufeinandertreffen und miteinander verhängt sind.
Wie
werden unbezahlte Arbeiten, die vor allem von Frauen geleistet werden, vom
formellen Sektor angeeignet?
Was
heisst es überhaupt, wenn so überproportional viele Frauen in einem so
schlecht entlohnten Wirtschaftszweig anzutreffen sind?
Tourismus,
der doch weltweit u. a. mit dem Argument der "Einkommen und Arbeitsplätze
für Frauen" propagiert wird?
Tourismus,
der nicht weg rationalisiert werden könne, aber schlecht bezahlt wird.
Beruht
die vielgepriesene Krisenresistenz etwa gerade darauf, wie Vermögenswerte, Fähigkeiten
und Arbeit, die mehrheitlich schlechtbezahlt von Frauen geleistet wird,
profitabel in den Tourismus-Sektor eingebunden werden?
Beispiel:
Frauen-Arbeit auf Golfplätzen
Beim
Golf wird einerseits unbezahlte natürliche Umgebung zu einem Bestandteil der
Tourismusleistung, andererseits werden Frauen in das touristische Produkt
eingebunden.
Zur
spezifischen Attraktivität einzelner Golfplätze gehören:
- eine überwältigende Fernsicht
- wilde Vegetation als Umgebung
- Duft der Blumen am Rande
- Ruhe vor Zivilisationslärm
- Tanzzeremonien der Aborigines
- Schönheit und Harmonie zwischen Mensch und Natur
- schmalhüftige Mädchen in seidigen Sarongs auf dem Wege usw.
Psalmen
werden gesungen auf die Schönheit der "unverdorbenen Natur", das
Paradies, den "Garten Eden". Es geht nicht nur um ernsthaften Sport
und Leistung, sondern auch um Genuss und Spass.
Wenn
allerdings vom Preis gesprochen wird, ist die Anzahl der Golflöcher, sowie die
Länge des Spiels ausschlaggebend.
Nebst
der "wilden" und "schönen" Natur, können den
Leistungssportlern und Genussmenschen junge, schöne Frauen als Schlepperinnen
der Golfausrüstung (Caddies), angeboten werden. Diese ungesunde Arbeit ist
miserabel bezahlt.
Der
Golfspieler kann sich angesichts der Lasten-Schleppenden jungen Frauen so
richtig als überlegener Mann fühlen.
Er kann
wesentlich diskreter, billiger und spontaner als im Sexgewerbe weibliche
"Liebes"-Dienste konsumieren.
Der
Golfspieler kann in der Freizeit das nachspielen, was er während seiner
Arbeitszeit unablässig praktiziert: seine ökonomische, rationale und
leistungsorientierte Existenz bekommt Sinn, weil es eine ausserökonomische
Realität gibt: Golfanlagen wären monoton, gäbe es nicht die "wilde"
Natur und Frauen.
Golfplätze
in traumhafter Umgebung sind nur in beschränkter Zahl produzierbar. Je mehr
Golfspieler sich in diese Erholung der Weltelite drängeln, desto mehr verlieren
sie ihren paradiesischen Charakter.
Frau,
quasi der "unverdorbenen Natur" zugeordnet, ist Bestandteil des
Pauschalarrangements. Was wären Karibik-Ferien ohne die Frau mit exotischem
Drink in der Werbung!
Was bedeutet es, wenn Bilder von "Weiblichkeit", Frauen
zugeschriebene Qualitäten, wenn Körper und Arbeitskraft von Frauen vermarktet
und zum untrennbaren Bestandteil des touristischen Produktes werden?
Letztlich
hängt die Konkurrenzfähigkeit von Tourismusunternehmen von den
"Inbegriffen-Leistungen" ihrer Angestellten ab.
Beispiel:
Reiseleiterinnen
Sie müssen
nicht nur Management-Kompetenzen mitbringen, sondern alle Arten von
Beziehungs-Arbeiten: vom therapeutischen Gespräch bis zum erotischen Geschäker.
Sie haben unregelmässig und fast beliebig flexibel nachfrageabhängig zu
arbeiten. Ihre "weibliche Attraktivität", ihre soziale Kompetenz und
die persönliche Beziehungsarbeit ist in der Reiseleitungs-Tätigkeit
inbegriffen.
Das
Anforderungsprofil an ReiseleiterInnen ist ähnlich den Anforderungen an
ManagerInnen, die dafür sehr hoch bezahlt werden.
Das
grosse Bezahlungs-Gefälle zwischen Reiseleiterin und Managerin kann nicht
allein darauf zurückgeführt werden, dass im Tourismus vorwiegend Frauen diese
Leistungen erbringen, sondern dass die Beziehungs-Kompetenz der Managerin auf
die Organisation von Produktions- und Dienstleistungsprozessen innerhalb der
"Weltwirtschaft" ausgerichtet ist, während die soziale Kompetenz der
Reiseleiterin zwar vom Tourismusunternehmen angeeignet und verkauft wird, aber
(so wie Hausarbeit) direkt der Bedürfnisbefriedigung von TouristInnen dient.
Müssten die
persönlichen Dienstleistungen der Freizeit-Industrie angemessen bezahlt werden,
wären die touristischen Möglichkeiten, die einen wesentlichen Aspekt des
Lebensstandards der TouristInnen darstellen, zum grossen Teil stark eingeschränkt.
Die
Aggressivität, mit der die Einkommen der in der Reisebranche tätigen Personen
(z.B. in der Flug-Industrie) gedrückt werden, geht einher mit der Aggressivität,
mit der auf (noch) vorhandene Ressourcen zurückgegriffen wird: auf schöne
Landschaften, Grundwasser, noch nicht erschlossene "exotische
Kulturen" oder Formen von Beziehungsarbeit.
Dieser
Prozess der Unterordnung von Produktionsgrundlagen, Arbeitskraft und Kompetenz
unter die Verwertungsinteressen der Tourismusindustrie, kann als Ausdehnung der
kapitalistischen Geldwirtschaft auf neue Bereiche bezeichnet werden.
Bei
solchen Prozessen der Ausdehnung der Geldwirtschaft muss es ökonomische oder
andere Zwänge geben, damit Menschen ihren Boden verkaufen und im Tourismus tätig
werden.
Die
Tourismusbranche zählt zu den beliebten spekulativen Investitionsprojekten mit
einhergehender Immobilienspekulation und/oder Geldwäsche. Ebenso spielen die
Tourismus-Förderungs-Programme in von Wirtschaftskrisen geschüttelten Regionen
eine wichtige Rolle.
Die
massive Entwicklung der Mega-Projekte, die in Südostasien
"Golf-cum-Casino-Resorts" genannt werden und Hunderte von Hektaren
oftmals fruchtbaren Ackerlandes beanspruchen, deuten darauf hin, dass Erträge,
etwa aus Bodenspekulation und Schmiergeldzahlungen oder Geldwäsche, in den künftigen
Casinos weit mehr Gewicht haben als alle in ferner Zukunft erst zu erwartenden
Einnahmen aus dem Betrieb der Anlagen.
Die rücksichtslose
Expansion beschleunigt den Prozess der Verdrängung traditioneller, eher auf
Subsistenz ausgerichteter Tätigkeiten im ländlichen Betrieb.
Die nötigen
Bedingungen zu ökonomischen und anderen Zwängen, die Menschen zum Verkauf
ihres Bodens und zur Erwerbsarbeit im Tourismus zwingen, werden auch durch die
Tourismusentwicklung gefördert. Sie bereitet das Terrain vor, um mit ihrem
Ressourcenverschleiss solche Zwänge zu schaffen.
Zusammenstellung
aus:
"Der
Duft der Blumen am Rande des Weges"
"Herrliche
Aussichten!", Frauen im Tourismus
Hg.
Karin Grüter, Christine Plüss
Rotpunkt-Verlag,
Zürich 1996
Hinweis
auf die neue Publikation
von
Christine Plüss
"Ferienglück
aus Kinderhand"
Kinder
im Tourismus
Rotpunkt-Verlag,
Zürich 1999
Ursula für
Radio LoRa, ZH, Schweiz